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Das Labyrinth der Freiheit – Ein Käfig voller Regeln

Aktualisiert: 13. Okt.

Warum Wirtschaft mehr Effektivität braucht als Effizienz, und Gesellschaft mehr Freiheit als Kontrolle.


Noumenon-Darstellung des Labyrinths der Freiheit


Stellen wir uns vor, wir stehen am Eingang eines riesigen Labyrinths. Kein freundliches Hecken-Labyrinth, in dem ein verliebtes Pärchen Händchen haltend den Ausgang sucht. Sondern eines aus Betonwänden, Draht – und Formularen.


Die Gänge sind sauber gefegt. An jeder Kreuzung: eine Kamera. An jeder Mauer: ein Hinweis, was hier nicht erlaubt ist.

Und dazwischen plärrt eine Lautsprecherstimme: „Bitte bleiben Sie auf dem vorgesehenen Pfad.“


Es herrscht Ruhe. Effizienz. Die Menschen bewegen sich brav, als hätten sie denselben Navi-Chip im Kopf.


Nur manchmal hört man ein Kratzen. Kein technisches Rattern, sondern ein menschliches. Ein Zögern. Einen Widerstand.


Denn irgendwo zwischen Compliance-Checkliste und KPI-Matrix fragt sich jemand:


War das schon alles?



Der Irrtum mit System


Friedrich August von Hayek hätte genickt.

Er wusste: Der Mensch ist kein Planobjekt. Und doch - unsere Systeme lieben Pläne.


In jeder Krise hallt derselbe Ruf durch die Gänge: Mehr Kontrolle. Mehr Steuerung. Mehr Sicherheit.


Doch Kontrolle erzeugt selten Ordnung, sondern oft nur die Kulisse davon. Wie ein Museumswächter, der stolz verkündet: „Alles ruhig!“, während die Besucher längst eingeschlafen sind.


Wir leben in Handschellen aus Paragrafen – und manche tragen sie freiwillig, graviert mit dem Logo ihrer Lieblings-Partei oder -NGO.


Hayek warnte: Je tiefer das System ins Leben eingreift, desto schneller ersetzt es Verantwortung durch Gehorsam.


Und Gehorsam hat einen unschlagbaren Vorteil: Er ist so herrlich berechenbar.

Für Systeme. Nicht für Menschen.



Die schöne Verführung des Wohlgemeinten


Das Labyrinth beginnt nie mit Stacheldraht.

Es beginnt mit einem Versprechen: Wir machen alles besser. Gemeinsam. Zentral. Planvoll.


Heute heißt das nicht mehr Führerprinzip oder Fünfjahresplan. Heute heißt es „Agenda 2030“. „ESG-Rating“. „WHO-Vertrag“.

Alles klingt nach Rettung, Nachhaltigkeit, Gesundheit. Doch zwischen Überschrift und Wirkung öffnet sich ein Abgrund.


Denn wer alles kontrollieren will, nimmt dem Menschen das Wichtigste:

Seine Freiheit.



Von Hoffnung zur Drohung


Früher war Zukunft ein Versprechen. Man malte Bilder von blühenden Landschaften,

fliegenden Autos, Weltfrieden.


Heute klingt Zukunft wie eine Drohung:

Klimakollaps, Killerviren, Krieg – Krisen und Katastrophen täglich frisch im Angst-Dauerabo.


Ein Kommunikationswandel mit eingebautem Sicherheitsnetz:

Früher mussten Politiker ihre Versprechen halten, wenn sie wiedergewählt werden wollten. Heute reicht es, wenn der Untergang nicht eintritt, den sie vorher selbst angekündigt haben.


Das ist so, als würde der Feuerwehrmann jeden Abend das Wohnzimmer anzünden, um sich dann für seine Löschkünste feiern zu lassen.


Die Angst ist der Algorithmus. Sie bindet stärker als jedes Wahlprogramm. Und je größer das Chaos, desto größer die Sehnsucht nach Ordnung.


Das nennt man in der PR einen „Frame of Rescue“: Erst das Feuer zeigen – und sich dann als Retter inszenieren. Das Publikum? Klatscht. Wählt. Überweist.



Die Wirtschaft als Erziehungsanstalt


Im Labyrinth sind selbst die Spielplätze genormt.

Unternehmen, einst Spielfelder für Ideen, spielen heute moralische Erziehungsanstalt – mit ESG-Rapport und Compliance-Katechismus.


„Stakeholder-Kapitalismus“ nennt man das, aber es ist eher ein Konfirmandenunterricht mit Quartalszahlen. Geld soll erziehen. Unternehmen erlösen. Konsum bekehren.


Der Ökonom Tomáš Sedláček sprach von einer neuen Theologie: Die Wirtschaft als Religion, die uns erlösen will – mit Kennzahlen statt Sakramenten.

Doch Märkte sind keine Kathedralen. Sie sind Arenen. Hier probieren Menschen Dinge aus, scheitern, riskieren, wachsen.


Wenn wir Wirtschaft zur Moralmaschine umdeuten, dann verbannen wir auch die Kreativität.


Oder, um es böttcheresk zu sagen: Wer Geldflüsse kontrolliert, kontrolliert am Ende auch die Narrative. Und das Ergebnis ist nicht Moral, sondern Monotonie.



Fortschritt als Rückschritt im neuen Gewand


Die moderne Megamaschine, wie Fabian Scheidler sie nennt, funktioniert simpel: Alles muss skalierbar, standardisierbar, steuerbar sein.


Fortschritt heißt heute meist nur: ein smarteres Labyrinth bauen.

Mit App-gesteuerten Drehkreuzen –

jetzt neu mit Push-Nachrichten.


Das Resultat? Eine paradoxe Moderne: Wir produzieren mehr Wissen als je zuvor – und immer weniger Erkenntnis. Wir vernetzen die Welt – und vereinzeln die Menschen. Wir messen alles – und verlieren das Maß.


Hayek würde sagen: Wir verwechseln Ordnung mit Plan. Und Verantwortung mit Gehorsam. Doch Freiheit ist kein Betriebsunfall der Geschichte. Sie ist das Wagnis selbst. Wer sie auf Nullrisiko trimmt, hat sie schon aufgegeben.


„Reality is what you can get away with“, schrieb Robert Anton Wilson. Und unsere Systeme sind erstaunlich lange damit durchgekommen.



Der Ausgang


Und nun?

Vielleicht brauchen wir kein neues äußeres System. Sondern eine innere Rückbesinnung.


Nicht auf Kontrolle – sondern auf Verantwortung. Nicht auf Gleichschaltung – sondern auf Vielfalt. Nicht auf Planung – sondern auf Vertrauen ins Unvorhersehbare.


Zurück im Labyrinth. Die Gänge stehen noch, die Kameras laufen.

Und dann merkt jemand:

Die Mauern sind nicht aus Stein. Sie sind nur Attrappe. Bemalte Pappe – stabil nur für jene, die fest daran glauben.

Dahinter: ein offenes Feld.

Atemberaubend weit.


Das ist der Moment, in dem Freiheit beginnt. Nicht mit einem Beschluss. Sondern mit einem Blick.


Mit einem Menschen, der sich erinnert,


dass er frei ist.

 
 
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